Brief an Ministerpräsident Laschet

Ich habe im Beitrag Landesmittel und Kategorien die Einteilung der Räume in Kategorien, die das UBA (Umweltbundesamts) vorgenommen hat, kritisiert. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dieser Empfehlung sollte ich auf den Grund gehen. Also schrieb ich das UBA am 11.08.2021 mit der Bitte an, mir die Untersuchungen, von denen in der Richtlinie die Rede ist, zu senden um sie selbst zu lesen.

Als ich nach wenigen Tagen (13.08.2021) die Antwort bekam und diese gründlich las, wurde ich fassungslos! Ich war mir nicht sicher, ob ich das, was ich gelesen hatte, richtig verstand oder ob uns das UBA alle für dumm verkaufen will!

Tags darauf, also am 14.08.2021, gab es eine angemeldete Demo der Initiative Sichere Bildung – Jetzt in Olpe. Dort hatte ich Gelegenheit, obwohl nicht geplant, kurz mit dem Ministerpräsidenten von NRW zu sprechen. Um das zu untermauern, entschloss ich mich am 15.08.2021 Herrn Laschet mit meinen Erkenntnissen schriftlich noch einmal zu konfrontieren:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

wir haben uns gestern, am 14.08.2021, am Rande einer Versammlung der Jungen Union in Olpe getroffen. Die Initiative Sichere Bildung - Jetzt hatte ganz in der Nähe demonstriert. Ich vertrat unsere Initiative dort, siehe E-Mail-Signatur. Als wir Sie auf eine sichere Lernumgebung an den Schulen NRWs angesprochen haben, haben Sie das UBA (Umweltbundesamt) ins Gespräch gebracht.

Ich habe Ihnen erzählt, dass das UBA die Kategorisierung der Unterrichtsräume (vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/lueftung-lueftungsanlagen-mobile-luftreiniger-an) auf der Grundlage einer Studie vorgenommen hat, die mir auf Anfrage am Freitag, den 13.08.2021, zur Verfügung gestellt wurde, siehe Anhang. Ferner habe ich Ihnen auch erzählt, dass diese Studie nicht und nicht allein für die Empfehlung/Richtlinie des UBA vom 09.07.2021 taugt! Ich erzählte Ihnen, dass andere Studien vorliegen, die die Wirksamkeit von Luftfiltern sehr wohl gegenüber dem Lüften allein belegen. Eine Erklärung kam von Ihnen nicht!

Die UBA Empfehlung schließt nämlich 75 - 85 % aller Unterrichtsräume an NRWs Schulen von der Unterstützung mit Luftfiltern aus (vgl. Lüftungsprogramm NRW vom 19.07.2021)! Es handelt sich um Kategorie 1 Räume, die sich nach Ansicht des UBA gut lüften lassen und in denen sich die Keimbelastung in der Luft nur durch Lüften ausreichend absenken lässt. Wenn diese Empfehlung jedoch auf falschen oder unzureichenden, fahrlässig oder vorsätzlich falsch gewählten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, wie ich Ihnen in den nächsten Abschnitten zeigen werde, dann ist das nichts geringer als ein Skandal!

Die entscheidende Passage der UBA Empfehlung lautet:

"Aktuelle Untersuchungen mit Bakteriophagen belegten auch hier, dass das Lüften gemäß den UBA-Empfehlungen die Konzentration der infektiösen Aerosolpartikel über die Dauer einer Schulstunde um etwa 90 Prozent reduziert."

Als erstes ist anzumerken, dass nur eine einzige Untersuchung die Grundlage der Einteilung in die dort genannten, drei Raumkategorien, ist. Wie gesagt, mir wurde die im Anhang angefügte Studie, die Ihnen jetzt auch vorliegt, ausgehändigt. Wie kann es sein, dass ein so komplexes Thema, über das wir seit etwa einem Jahr in der Öffentlichkeit kontrovers diskutieren, jetzt mittels einer einzigen Studie gelöst ist?

Das nächste halte ich für viel entscheidender: das Lüften wird in direktem Bezug mit Luftfiltern gesetzt und damit suggeriert, dass Luftfilter keine signifikant bessere Luftreinigung durchführen als das Lüften allein. Nur die Studie untersucht den Unterschied zwischen Lüften und Luftfilter nicht - nein, das Lüften gemäß den UBA-Empfehungen ist überhaupt nicht Gegenstand dieser Untersuchung!

Wie sie sehen, wird in der Studie ein einfacher Versuchsaufbau auf Aerosolerzeuger, Messeinrichtung für Bakteriophagen und Luftfilter genutzt. Dann erfolgt die Erzeugung der Aerosole und die Detektion der Konzentration der Bakteriophagen in der Luft. Grundsätzlich werden Versuche mit und ohne eingeschaltetem Filter gemacht. Wiederholungen und andere Versuchseinstellungen werden zur Tilgung statistischer Abweichungen benutzt, als auch die Größe der Aerosoltröpfchen variiert.

Der gesamte Versuch erfolgt in einem geschlossenen Raum, in dem es nur eine Tür gibt. Alle Ein- und Auslässe, über die Luft einströmen oder entweichen könnte, werden versiegelt. Das Volumen des Raums ist mit etwa 30m³ sicherlich keinem durchschnittlichen Unterrichtsraum entsprechend! Und: das Lüften über die Fenster ist gar nicht möglich und gehört nicht zum Experiment!

Die Ergebnisse zeigen, dass der H-14 Filter maximal Log 1 bzw. 90% besser die Luft reinigt (https://en.wikipedia.org/wiki/Log_reduction), als das "Warten auf die Auflösung" der Aerosole durch verschiedene physikalische Effekte, wie dem Setzen auf Oberflächen. Das würde aber heißen, dass die o.g. Empfehlungen zum Lüften gar nicht wie beschrieben angewendet werden und die Studie überhaupt keinen Bezug auf die o.g. Richtlinie des UBA hat!

Und hier noch etwas: wissen Sie, was die nächste Passage bedeutet?

"Dort, wo nicht ausreichend gelüftet werden kann, helfen kontinuierlich betriebene, einfache Zu- und Abluftanlagen oder mobile Luftreiniger, die Virenlast im Raum ebenfalls in einer Größenordnung von bis zu 90 Prozent zu reduzieren."

Damit wird ausgedrückt, dass alle Luftfilteranlagen in jedem Unterrichtsraum in jeder erdenklichen Situation den gleichen Reinigungseffekt haben, wie das Lüften über die Fenster - das alles nur auf der Grundlage dieser einen Studie, dessen Versuchsraum noch nicht mal ein Fester hat?

Mir ist klar, dass die Empfehlungen und Richtlinien des UBA von den Ländern angewendet werden können und sollen. Mit anderen Worten, das UBA ist dem Land NRW nicht unterstellt. Trotzdem sehe ich einen kausalen Zusammenhang zwischen folgenden Ereignissen:

    * 25.06.2021: Die Studie wird (nach Prüfung im wissenschaftlichen Kreis) in der finalen Fassung veröffentlicht.
    * 09.07.2021: Das UBA gibt die o.g. Richtlinie aus, die die o.g. Studie als die einzige Quelle nennt.
    * 14.07.2021: Die Bundesregierung beschließt, 200 Mio EUR für mob. Luftfilter bereit zu stellen (https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/mobile-luftfilter-corona-1941984)
    * 19.07.2021: Die Landesregierung NRW beschließt, 90,4 Mio EUR für ein Lüftungsprogramm bereitzustellen, bei dem Räume der Kat. 2 + 3 explizit unterstützt werden. Dabei bezieht sie sich auf das UBA, die das fachliche Verständnis hat und die Empfehlung/Richtlinie ausgegeben hat.

Für mich sieht das nach recht wenig Aufwand für ein Thema in NRW und im Bund aus, dem politisch nicht viel Aufmerksamkeit zugeteilt wird. Meine Kritik und meine Fragen könnte ich genau so gut an das UBA stellen. Aber das mache ich hier aus mehreren Gründen bewusst nicht, denn Sie Herr Laschet wollen doch Bundeskanzler werden, nicht wahr? Dann beweisen Sie doch an dieser Stelle Führungsstärke und Durchsetzungsfähigkeit und fordern vom UBA bzw. BMU Klarheit in dieser Sache, und zwar öffentlich!

Mit freundlichem Gruß

Dragan Isaković-Kutz

P.S.: Die WELT war mit einem Kamerateam vor Ort und hat mein Gespräch mit Ihnen aufgenommen. Ich trug das Demoplakat, das Sie im Anhang sehen.

-- 
Initiative Luftfilter am MGI
Webseite: https://initiative-luftfilter-am-mgi.de
E-Mail: info@initiative-luftfilter-am-mgi.de

Diese beiden Dateien hängte ich der E-Mail an:

Am 19.08.2021 bekam ich vom MHKBG (Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW) die Antwort, dass die E-Mail dort eingegangen sei (Fr. Scharrenberg, die Ministerin des MHKBG, setzte ich in CC) und dass die Bearbeitung des Anliegens noch etwas Zeit benötige – ich solle mich gedulden.

Oh ja, das werde ich! Ich will zu gern wissen, was jetzt passiert.

Dragan Isaković-Kutz

P.S.: Mit BMU ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeint. Das UBA ist dem BMU unterstellt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.